Mittwoch, 24. Juli 2013

Der Blick schult sich doch immer an den Gegebenheiten. Welchen Nutzen hat es da, etwas dazu zu erfinden, wo doch alles schon da ist. Als biete die Wirklichkeit nicht genügend, um damit zu arbeiten und daraus zu lernen. Es ist schon schwierig genug, die richtige Auswahl zu treffen, den geeigneten Moment abzuwarten und bereit zu sein, das anzunehmen, was sich zeigt. Gibt es sich doch so freiwillig her, wenn man nur die Augen hat, zu sehen.

Meine Philosophie in diesen Dingen, wie könnte ich sie in Worte fassen? Am ehesten ist es wohl eine Schule des Respekts, durch die ich gehe, denn erst wenn ich den Dingen jenen Raum gestatte, der ihnen gebührt, werden sie Ausdruck meiner Kunst. Diese Kunst besteht darin, alles zum Klingen zu bringen nach seiner je eigenen Stimme. Es geht darum, den günstigsten Winkel einzunehmen, die beste Akustik zu erhaschen, in welcher der Ton am vollsten und deutlichsten klingt. Und, oh je, da höre ich auch schon die Einwände: "Was für eine Anmaßung! Als ob er zu beurteilen hätte, von woher die deutlichste Sprache zu vernehmen ist."


(2011)

Sicher ist es eine Anmaßung; ich mute mir dieses Talent in der Tat zu. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass dies meine besondere Fähigkeit, meine Gabe ist und dass ich es als meine eigenste Aufgabe ansehe, eben dieses Talent aus mir herauszuschälen so gut ich nur kann. Denn ich weiß sehr wohl um das Misstrauen meiner Zeit allem Subjektiven gegenüber, die nur die nüchterne Überprüfung, die Statistik und den "belastbaren" Wert gelten lassen möchte. In diesem Denken existiert kein Platz für das Fühlen, das aber doch Voraussetzung ist, um erfahren zu werden. Keine Weisheit ist das Ergebnis bloß kühler Schlussfolgerung. Die Nüchternheit kennt das Wagnis nicht, das die Kunst erfordert.

Genau das aber ist der Respekt, jene Ethik des Betrachtens, die den Schauenden nicht leugnet und das Geschaute nicht reduziert. Das kann nur die wahre Liebe leisten, dem da Seienden zugewandt und es nehmend ohne einen Gedanken an Perfektion zu verschwenden. Nicht das Ideal beherbergt, was sich lohnen würde zu suchen - das Geheimnis ist längst angekommen und spricht bereits, seine Zeichen sind sogar so deutlich, dass es eher schwer fallen muss, sie nicht zu sehen.
Ohne das unstillbare Verlangen, wieder und wieder hinzusehen, ohne das verzweifelte Bemühen, jene poetischen Momente der Klarheit, der Wahrheit schlechthin, zu fassen, nur um sie erst denken zu können, ist alles wertlos. Ich will gar nicht erst von Seele sprechen, denn das hieße einen Begriff zu gebrauchen, der vorbelastet ist. Visionen sind es vielleicht, irgendwo zu suchen zwischen der bangen Sehnsucht Pascals und der trotzigen Gewissheit eines Nietzsche - es sind Bilder, die den halben Weg gegangen sind vom Himmel herab auf die Erde zu und jetzt keinen Fuß mehr fassen können und nicht wissen, wohin.

------------------------------------------------------------------------------------------------

The gaze trains itself on the basis of the conditions. If everything is already there, of what use is it to invent anything in addition. As if reality would not have enough in store to work with and to learn from. It is difficult enough to make the right selection, to wait for the adequate moment and be willing to accept what appears. It devotes itself so voluntary if you have the eyes to see.

How could I describe my philosophy in these things? It seems to be most approximately a school of respect through which I go because things do not become an expression of my art until I allow them their duly space. This art means bringing everything to sound in it's very own voice. The point is to find the most fortunate angle, to catch the best acoustics in which the tone is most resonant and clear. And, oh dear, I can already hear the demurs: "What arrogance! How can he know from where the most articulate language can be heard?"

Of course it is arrogance; I impute this talent to myself indeed. I go even further by saying that this is my special ability, my gift and that I consider it as my personal duty to crystallize this talent out of myself as good as I can. Because I know very well about the suspiciousness of my contemporaries that only accept sober examination, statistics and "authoritative" value toward everything subjective. In this thinking there is no room for feeling, but that would be precondition to become experienced. Wisdom is not alone the result of unagitated reasoning. Sobriety is ignorant of hazard which is a precondition of art.

But exactly this is the respect, this ethics of the view that does not deny the viewer nor reduce the viewed. Only true love that is facing the very present and taking it without wasting a thought on perfection can achieve this. The ideal does not shelter anything that would be worth to be searched for - the secret arrived long ago and it speaks, it's signs show so clear that it is even hard to not see them. Everything would be worthless without the insatiable desire to look and look again, without the desperate effort to grasp these poetic moments of clarity, of truth per se, only to become able to think them. Speaking of soul would mean to use a biased term. Perhaps they are visions from somewhere between Pascal's frightened yearning and the sullen doubtlessness of Nietzsche - they are images that have traveled half the way from heaven to earth and that now cannot gain ground and do not know where to turn.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen