Mittwoch, 31. Juli 2013

Der letzte der Herbste

Draußen ist Abstand – drinnen ist Zeit.
Kein Heimweh, das nicht um die Unschuld klagt.
Zählt man die Schritte, sind die Wege weit;
man ist man selbst, verspricht, verzeiht.
Und doch wird nie ein Wort gesagt.

Da ging der Mensch hin und kam nicht zurück.
Ist vorneweg gelaufen und geblieben.
Hat ganz alleine dort sein Stück
von Wirklichkeit: das Andere zum Glück
gelernt als noch nicht Eigenes zu lieben.


(2011)

Samstag, 27. Juli 2013

Die einzige zu rechtfertigende Religion müsste die der Realität sein. Nichts als der echte Augenblick, die reine Anwesenheit, das Unerreichbare weil immer gerade Erreichte kann bedeutsam sein, denn nur hier entzünden sich die Geschichten. Geschichte, das meint Erzählung, also die Darstellung von Abwesendem. Geschichte heißt auch Kristallisation, das im unveränderlichen Stillstand verharrende Unsichtbare. Nur der jetzige Moment ist in unserem Bewusstsein hell und flüssig. Wie ist es möglich, dass dieser Gedanke niemals die Blüte erreicht hat, die ihm angemessen wäre - die Erkenntnis der aktuellen Realität als Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens?


(2013)

Hätte nicht spätestens die Entwicklung der Fotografie diese "Religion" hervorbringen müssen, weil sie uns das Daseiende vor Augen führt, indem sie es da sein lässt? Damit ist keinesfalls stumpfer Empirismus und Technikvernarrtheit gemeint. Das hat es zur Genüge gegeben mit teilweise den entsprechend fatalen Folgen, die damit einhergehen mussten. Der Fehler dabei war, die Werte mit ins Bild nehmen zu wollen, die sich eigentlich überhaupt nicht mit der Erfahrung von Realität vertragen. Werte sind Ideale, die zwangsläufig an der Strahlkraft des Reellen zugrunde gehen. Sie lösen sich schlicht und einfach auf wie Nebel im Licht der aufgehenden Sonne. Keine einzige menschliche Idee findet Platz in diesem minimalen Raum, der sich mit dem tatsächlichen Augenblick auftut - erst recht nicht die Vorstellung eines sprechenden und meinenden Gottes.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------

The only justifiable religion must be the one of reality. Nothing can be meaningful but the true moment, the pure presence, the aspect of the unreachable that is always just reached, because that is where stories are ignited. History means telling - the display of something absent. History means crystallization, the invisible that remains in unchangeable standstill. Only this very moment is bright and fluid in our consciousness. How is it possible that this thought has never drawn an appropriate attention as it is the insight in current reality as the cardinal point of all events?

The evolution of photography should have had created this "religion" at the latest because it shows us everything that is there quite plainly by letting it be there. This is far from dull empiricism and technology's infatuation. We have had that already with all it's partially fatal consequences. The fault was to try to bring the values into the picture, but values actually cannot get along with the experience of reality. Values are ideals that have to die off in the brightness of reality. They simply dissolve like mist in the light of the rising sun. Not even a single human idea finds room in the minimal space of the real moment - particularly not the imagination of a speaking and meaning god.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Der Blick schult sich doch immer an den Gegebenheiten. Welchen Nutzen hat es da, etwas dazu zu erfinden, wo doch alles schon da ist. Als biete die Wirklichkeit nicht genügend, um damit zu arbeiten und daraus zu lernen. Es ist schon schwierig genug, die richtige Auswahl zu treffen, den geeigneten Moment abzuwarten und bereit zu sein, das anzunehmen, was sich zeigt. Gibt es sich doch so freiwillig her, wenn man nur die Augen hat, zu sehen.

Meine Philosophie in diesen Dingen, wie könnte ich sie in Worte fassen? Am ehesten ist es wohl eine Schule des Respekts, durch die ich gehe, denn erst wenn ich den Dingen jenen Raum gestatte, der ihnen gebührt, werden sie Ausdruck meiner Kunst. Diese Kunst besteht darin, alles zum Klingen zu bringen nach seiner je eigenen Stimme. Es geht darum, den günstigsten Winkel einzunehmen, die beste Akustik zu erhaschen, in welcher der Ton am vollsten und deutlichsten klingt. Und, oh je, da höre ich auch schon die Einwände: "Was für eine Anmaßung! Als ob er zu beurteilen hätte, von woher die deutlichste Sprache zu vernehmen ist."


(2011)

Sicher ist es eine Anmaßung; ich mute mir dieses Talent in der Tat zu. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass dies meine besondere Fähigkeit, meine Gabe ist und dass ich es als meine eigenste Aufgabe ansehe, eben dieses Talent aus mir herauszuschälen so gut ich nur kann. Denn ich weiß sehr wohl um das Misstrauen meiner Zeit allem Subjektiven gegenüber, die nur die nüchterne Überprüfung, die Statistik und den "belastbaren" Wert gelten lassen möchte. In diesem Denken existiert kein Platz für das Fühlen, das aber doch Voraussetzung ist, um erfahren zu werden. Keine Weisheit ist das Ergebnis bloß kühler Schlussfolgerung. Die Nüchternheit kennt das Wagnis nicht, das die Kunst erfordert.

Genau das aber ist der Respekt, jene Ethik des Betrachtens, die den Schauenden nicht leugnet und das Geschaute nicht reduziert. Das kann nur die wahre Liebe leisten, dem da Seienden zugewandt und es nehmend ohne einen Gedanken an Perfektion zu verschwenden. Nicht das Ideal beherbergt, was sich lohnen würde zu suchen - das Geheimnis ist längst angekommen und spricht bereits, seine Zeichen sind sogar so deutlich, dass es eher schwer fallen muss, sie nicht zu sehen.
Ohne das unstillbare Verlangen, wieder und wieder hinzusehen, ohne das verzweifelte Bemühen, jene poetischen Momente der Klarheit, der Wahrheit schlechthin, zu fassen, nur um sie erst denken zu können, ist alles wertlos. Ich will gar nicht erst von Seele sprechen, denn das hieße einen Begriff zu gebrauchen, der vorbelastet ist. Visionen sind es vielleicht, irgendwo zu suchen zwischen der bangen Sehnsucht Pascals und der trotzigen Gewissheit eines Nietzsche - es sind Bilder, die den halben Weg gegangen sind vom Himmel herab auf die Erde zu und jetzt keinen Fuß mehr fassen können und nicht wissen, wohin.

------------------------------------------------------------------------------------------------

The gaze trains itself on the basis of the conditions. If everything is already there, of what use is it to invent anything in addition. As if reality would not have enough in store to work with and to learn from. It is difficult enough to make the right selection, to wait for the adequate moment and be willing to accept what appears. It devotes itself so voluntary if you have the eyes to see.

How could I describe my philosophy in these things? It seems to be most approximately a school of respect through which I go because things do not become an expression of my art until I allow them their duly space. This art means bringing everything to sound in it's very own voice. The point is to find the most fortunate angle, to catch the best acoustics in which the tone is most resonant and clear. And, oh dear, I can already hear the demurs: "What arrogance! How can he know from where the most articulate language can be heard?"

Of course it is arrogance; I impute this talent to myself indeed. I go even further by saying that this is my special ability, my gift and that I consider it as my personal duty to crystallize this talent out of myself as good as I can. Because I know very well about the suspiciousness of my contemporaries that only accept sober examination, statistics and "authoritative" value toward everything subjective. In this thinking there is no room for feeling, but that would be precondition to become experienced. Wisdom is not alone the result of unagitated reasoning. Sobriety is ignorant of hazard which is a precondition of art.

But exactly this is the respect, this ethics of the view that does not deny the viewer nor reduce the viewed. Only true love that is facing the very present and taking it without wasting a thought on perfection can achieve this. The ideal does not shelter anything that would be worth to be searched for - the secret arrived long ago and it speaks, it's signs show so clear that it is even hard to not see them. Everything would be worthless without the insatiable desire to look and look again, without the desperate effort to grasp these poetic moments of clarity, of truth per se, only to become able to think them. Speaking of soul would mean to use a biased term. Perhaps they are visions from somewhere between Pascal's frightened yearning and the sullen doubtlessness of Nietzsche - they are images that have traveled half the way from heaven to earth and that now cannot gain ground and do not know where to turn.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Da ist er also, dieser eine Moment, und ich muss gestehen, dass er immer größer war als ich selbst, dass ich nie ganz bereit war, ihn völlig in mich aufzunehmen. Da sind immer und immer wieder diese kleinsten Dinge, die fliehen vor meinem Blick, weil es doch nicht genügt, die Augen zu öffnen, um zu sehen. Reichten überhaupt meine Ideen aus, das Dasein zu fassen? Vielleicht nicht diejenigen, die ich erworben sondern nur die, die ich mitgebracht habe. Aber kann es denn tatsächlich etwas geben für mich, das älter ist als ich selbst? Ich schaue und schaue und dann denke ich: Weil es jetzt passiert, passiert es ständig.

Kann ich denn nicht schon in diesem Moment alles gewesen sein, was ich sein kann? Den möchte ich erst einmal kennenlernen, der mir sagen könnte, warum nicht. Er müsste mir dann schon erklären, welcher Stein oder welcher Tropfen mich denn davon abgehalten hat, nicht den Weg zu wählen, den ich gewählt habe, nicht die Worte zu gebrauchen, die ich benutzt habe. Und überhaupt - wie verwandeln sich denn Steine in Worte durch mich?


(2011)

Wenn ich selbst eine Antwort geben müsste, bliebe mir kaum etwas anderes zu sagen als: Ich war dieser Moment. Zwischen ihn und mich passt kein Blatt Papier, keine Folie, die etwas anderes tragen könnte als ihn oder mich. Wir bedingen einander. Ins Dasein aufzutauchen hieße dann festzustellen, dass es keine Tiefe hat, aus der man kommen könnte. Unter der Oberfläche bliebe dann alleine die Abwesenheit zurück, die so viel bedeutet wie: Es kann sein, es kann aber auch nicht sein. Die Oberfläche ist also die Wahl, die getroffene Entscheidung. Was nicht da ist, ist unsichtbar - was unsichtbar ist, ist nicht da... Ich kann nicht einmal mein eigenes Gesicht sehen.

War dies dann der Moment, der bereit war, mich aufzunehmen? Ich kann mich sehr gut erinnern, dass ich einige Schritte auf ihn zu gegangen bin, um mich in ihn zu stürzen. Wer weiß, wohin. Vielleicht dahinter etwas vermutend, erwartend. Da war das Gefühl, jetzt etwas Wichtiges zu tun und nicht nur zu warten. Schließlich empfinde ich es als eine Zumutung, allein der Zeit alles zu überlassen. Womöglich hat auch dieser Moment nur auf mich gewartet, um sich endlich zu erfüllen durch meine Tat und sich dann niederzulassen in meiner Geschichte.

----------------------------------------------------------------------------

There it is finally, this single moment and I have to admit that it has always been greater than me and that I was never actually prepared to absorb it completely. There are always and always again these most small things that flee from my gaze because it is simply not enough to open your eyes for seeing. Would my ideas even suffice to capture existence? Perhaps not those that I acquired but the ones that I brought with me. But could something possibly exist for me which is older than me? I look and look and then I think: Because it happens now, it happens forever.

Couldn't I have been everything that I can be in this one single moment? I would really like to get to know the person who could tell me why I could not. He would then have to explain to me which stone or which drip should have restrained me from not choosing the way I have chosen and not using the words I have used. Actually - how do stones become words through me?

If I had to give an answer myself, there would be nothing left to say but: I was this moment. No piece of paper would fit there between me and it, no sheet that could carry anything but it or me. We condition each other. To emerge into existence then means to recognize that it has no depth from which you could come. Below the surface there would stay absence alone and it's meaning would be: to be or not to be. So the surface is choice, the reached decision. What is not there is invisible - what is invisible is not there... I cannot even see my own face.

Was this the moment that was ready to absorb me? I can remember very well taking a few steps toward it to hurl myself into it. Who knows whereto? Maybe assuming, expecting something behind it. There was this feeling to do something important now and not just to wait. After all I consider leaving everything to the passing of time as an unreasonable demand. Maybe this moment also just waited for me to fulfill itself finally through my act and to settle then in my history.

Sonntag, 14. Juli 2013

Das Zurücklassen hat zwei gänzlich unterschiedliche Gesichter, die doch wie die zwei Seiten derselben Münze unzertrennlich sind. Da ist der Aufbruch, der mich an neue Ufer vordringen lässt, die ich noch nie zuvor erblickt habe und da ist der Abschied, der mich von Bekanntem und auch Geliebtem unwiderruflich fortreißt. Wenn ich die Münze nun werfe, welche Seite wird sie mir zeigen?

Manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass sich das Zurückgelassene nie ganz von einem lösen will, dass es einem vielmehr an jedem beliebigen neuen Ort auflauert und mit seiner Abwesenheit anklagt. Es lässt sich ja nicht bestreiten, dass es einmal da gewesen ist. Hat man es nun mit seinem Aufbruch im Stich gelassen, hat man seine Verantwortung ihm gegenüber nicht wahrgenommen? Dieser Gedanke hat die Macht, in den Wahnsinn zu treiben.


(2012)

Vielleicht hält die Aussage, dass Bewegung unvermeidlich und dass ohne sie kein Leben denkbar ist, keinen wirklichen Trost bereit; vielleicht erscheint sie sogar kalt und egoistisch, ihr Argument schal und rücksichtslos. Aber sie hat ihre Wahrheit. Denn es ist doch so, dass man dem stummen Drang irgendwann folgen muss, der sich im Inneren aufstaut und sein Recht beständig einfordert, indem er das Gegenwärtige in Frage stellt. Er wird nicht verschwinden, denn er kennt keine Zeit und kein Vorübergehen. Ihm gegenüber kann man sich lediglich taub stellen, aber über ihn zu triumphieren ist unmöglich.

Hier und vielleicht nur hier hat das das Individuum seinen Platz - vielleicht sogar mehr als den meisten lieb ist. Denn es muss akzeptieren, dass die Brücken, die es mit seiner Umwelt verbinden, nicht unvergänglich sind. So wie aus einer Landmasse mehrere Inseln werden können, können aus einer Welt zwei Welten werden. Aber sind sie nicht auch dem gleichen Gesetz unterworfen, das für alle gilt und das lautet: Dein Charakter und dein Leben seien eins? Das heißt, gibt es denn eine Alternative? Ein Nein zum Wunsch ist auch ein Nein zum Leben. Und das menschliche Leben mit seinen unzähligen Beschränkungen erlaubt nicht, den Bogen beliebig zu spannen. Ein sinnvolles und zufriedenes Dasein ist nur innerhalb seiner statischen Gegebenheiten möglich - und es setzt die Akzeptanz dieses Zustands voraus.

--------------------------------------------------------------------------------------

Leaving behind always has two very different faces but they are as inseparable as the two sides of one coin. There is departure which gives me the chance to reach new shores I have never seen before and there is parting which snatches me away irrevocably from the familiar and beloved. If I toss the coin now, which side will it show?

Sometimes you have the feeling that what you left behind will never quite peel away from you but rather waylay in any new place and accuse you there with it's absence. It indeed cannot be denied that is has been there once. Did you turn your back on it when you departed, did you not assume your responsability for it? This thought has the power to drive you mad.

Maybe there lies no solace in the statement that movement is inevitable and without it there would be no life; maybe it seems even cold and egoistic, it's argumentation appears to be moldy and reckless. But it has it's truth. Because isn't it that at some point you have to accommodate the silent urge that is building up inside and that calls for it's right by questioning the status quo. It will not vanish because it is ignorant of time and elapsing. You can turn a deaf ear but it is impossible to triumph.

Here and maybe only here is the place for the individual - to an extent that most individuals are perhaps not likely to appreciate. Because they have to accept that the bridges between themselves and their surroundings are instable. And as one landmass can become several islands, one world can become two worlds. But are they not subordinated under the same law which applies to all and which goes: your character and your life shall be one? That means, is there an alternative? Saying no the the wish means saying no to life. And with it's countless limitations human life does not allow to draw a bow at one's own will. It is only possible to spend a reasonable and peaceful life within it's statical conditions - and prior to this that state needs to be accepted.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Ist sie nicht sinnlos, diese Erinnerung? So ein alltäglicher Moment, so etwas Banales! Was trägt er schon zu meinem Weiterkommen bei? Diese absurde Welt, die sich da in Farbklecksen zerstreut - ich habe sie nicht erfunden. Was für ein Anblick.

Da sind diese Linien, die uns begleiten und die dazu da sind, uns einen Weg zu markieren. Sie sagen uns: "Hier findest du dieses und jenes. Da hinten geht es nicht weiter. Dort musst du hin, um nach Hause zu gelangen." Es ist so eine sanfte Sprache. Und was für sonderbare Proportionen! Man muss das einmal ganz auf sich wirken lassen. Ja, das ist es: Diese Dinge sind normalerweise völlig unsichtbar.


(2013)





Gerade die Schilder werden kaum noch gelesen. Prinzipiell machte es keinen Unterschied, wenn einer all diese Farben heute noch ausradieren würde. Es ist doch dies ein Ort, an dem etwas passiert; keiner will hier wirklich bleiben. Sind Blau, Grün und Rot da nicht reine Energieverschwendung? Ist nicht sogar das Grau noch zu kräftig?

Was für ein Gefühl, wenn die immergleichen Bilder in meinem Kopf zusammenrutschen - gut tausend Tage haben da Platz in einem einzigen Foto. Ihre Ähnlichkeit verklumpt sie zu einem hellen, weiten Sommer und einem langen, dunklen Winter. Und da stecken sie nun und wissen nicht weiter.

----------------------------------------------------------------------------------------

Isn't it meaningless, this memory? Such an everyday moment, such banality! What kind of contribution does it make to my advancement? This absurd world, dispersing there in blots of color - I have not invented it. What a sight.

There are these lines that guide as and that have the function to mark us a way. They say: "Here you find this and that. There is a dead end back there. You have to go there to find your way home." It is such a gentle language. And what curious proportions! You really have to let it sink in. Yes, that's it: Normally these things are completely invisible.

Especially the signs are read by no one anymore. In principle it would make no difference if somebody would erase all the colors right now. This is a place where something happens; nobody really wants to stay here. Aren't blue, green and red simply a waste of energy? Isn't even this grey too bright?

What a feeling when all these ever same images rush together in my head - a thousand days find room in a single photograph. Their similarity lets them clump together and they become a bright, wide summer and a long, dark winter. And that is where they got stuck and don't know what to do.

Freitag, 5. Juli 2013

Am Anfang steht immer das Bewusstsein, dass da mehr ist, als man kennt. Es gibt da stets den Blickwinkel, den man noch nicht eingenommen hat, der aber alles Vorangegangene entscheidend verändern kann. Ich könnte mir keinen größeren Antrieb vorstellen, weiter zu suchen. Es ist nicht unbedingt ein Gefühl von Unvollständigkeit, auch das Wort Neugier scheint mir kein passender Ausdruck zu sein für dies Vorwärts-streben-Wollen. Es ist vielleicht die eigenartige Gewissheit, dass das Andere doch die Heimat des Bekannten ist und dieses gleichzeitig nur über den Umweg des Fremden gelesen und verstanden werden kann.

Mir wäre der Gedanke unerträglich, niemals den Versuch unternommen zu haben, diesen Weg zu gehen. Ich würde nicht leben wollen, ohne diese anderen Welten kennengelernt zu haben, die neben meiner existieren. Damit meine ich keineswegs Produkte der Fantasie, nichts Metaphysisches oder unbedingt Göttliches. Nein, es ist alles hier. Und doch ist man oft zu sehr mit Blindheit geschlagen, um jene unsichtbaren Wände durchdringen zu können, die einen umgeben. Nicht mal Entfernung ist zwangsläufig der Grund dafür, es reicht völlig aus, nicht dieselbe Sprache zu gebrauchen. Und auch wenn die Worte identisch sind, heißt das nicht automatisch, dass die zutiefst zwischenmenschlichen Gräben überwunden sind.


(2011)

Meine Orientierung richtet sich nach dem Licht. Es lenkt alleine meine Aufmerksamkeit und im Laufe der Zeit habe ich gelernt, ihm Vertrauen zu schenken. An sich bringt es nichts mit außer sich selbst. Aber es ist in der Lage, alles zu bestimmen, zu beleben und zu bedeuten. Ein wenig versuche ich wohl, ihm nachzueifern, indem ich mich mein Verständnis möglichst nach seinen Gesetzmäßigkeiten gestalte.

Am wichtigsten ist dabei wohl, dass es selbst keine Unterschiede kennt. Dadurch wird es zum Maßstab, mit dem alles verglichen werden kann, der selbst aber nicht misst. Im Gegenteil: Wenn ich es benutze, um ein Bild herzustellen, habe ich anschließend lediglich die Chance, mich selbst darin wiederzuerkennen. Das ist Reflektieren im doppelten Sinne des Wortes. Da sehe ich dann also die weißen und silbernen Stellen, die mir gleich zu Beginn, noch vor der Aufnahme aufgefallen waren und ganz besonders gut kenne ich vielleicht diesen oder jenen Fleck, der mir ins Auge stach, als ich auf den Auslöser drückte.
Jetzt aber fallen mir nach und nach auch die dunkleren und dunkelsten Bereiche auf, die ich mitgenommen habe, ohne es zu wissen. Die Kamera hat sie alle zugleich entdeckt, weil sie nie auf etwas Bestimmtes achtet. Werde ich irgendwann Gelegenheit haben, die Stellen zu belichten, die sich noch im Schatten befinden? Es liegt wahrscheinlich an mir, das Detail wartet meist geduldig auf das Licht.

--------------------------------------------------------------------------------

In the beginning there is always this awareness that there is more than you know. There is always this angle of view from which you have not seen yet but which is going to change essentially anything you have seen before. I could not think of a greater urge to keep on searching. It is not necessarily a feeling of incompletion, the term curiosity also does not seem to be appropriate to express this urge of moving forward. Maybe it is the strange certainty that the other is always the home of the well-known but it can only be intelligible by making the detour of a stranger.

To me the thought of never having tried to go that way would be unbearable. I would not want to live without getting to know these other worlds existing next to my own. I do not think of fantasies, nothing metaphysical or implicitly devine. No, everything is here. But far too often one is too blind to break through these invisible walls that surround us. Distance does not have to be a reason - it is enough if you do not use the same language. And even if the words are identical it does not automatically mean that the distances between humans are overridden.

Light is my orientation. It alone guides my attention and with time passing I have learned to trust it. It comes with nothing but itself. But it has the ability to determine, to animate and to denote everything. Maybe I try to emulate it a little by shaping my understanding after its' nature.

The most important thing seems to be that it knows no differences. That is why it becomes a measure everything can be compared to but which itself is not measuring. Quite the contrary: if I use it to produce an image I only end up with the chance to find myself in it. This is the literal sense of reflecting. So I see these white and silver areas that had drawn my attention in the very beginning, even before the shot, and maybe I still recognize one or another spot which has caught my eye the very moment I pushed the release button.
But now I gradually notice those dark and darkest areas which I have taken with me without knowing. The camera has spotted them all at once because it has never a certain attention for anything. Will I ever have the chance to bring light to these dark areas that still lie in the shadows yet? I guess it is up to me because the details wait patiently for the light most of the time.

Dienstag, 2. Juli 2013

Seltsam, wenn man sich überlegt, dass das ganze Leben doch so etwas ist wie ein lange belichtetes Foto. Man ist vielleicht gewöhnt, es sich als einen Film vorzustellen, eine persönliche Aufzeichnung, die sich am Schluss irgendwie wiedergeben ließe oder auch nicht. Dabei wissen doch die meisten, dass ein Film aus unzähligen stillen Einzelbildern besteht. Aber ist der Mensch denn überhaupt fähig, den einzelnen, unendlich kleinen Moment zu denken? So klein, dass er kleiner wäre als die kürzeste Belichtungszeit? Wohl kaum.

Eine solche Vorstellung macht für uns keinen Sinn, weil sie keinen Raum bietet. Nicht für ein Gefühl, nicht für ein einziges Wort und erst recht nicht für eine komplette Geschichte. Wenn die Geschichte eines Lebens aber kein Film ist, was ist sie dann? Wenn sie einer Fotografie ähnlich ist, was bedeutet das?


(2011)

Das Foto zeichnet auf, solange es belichtet wird. Während der Dauer dieses Prozesses wird aus einer vollkommen dunklen Fläche eine helle oder umgekehrt, wenn man an das Negativ denkt. Alles, was hell ist, wird dunkel und alles, was dunkel ist, hell. Normalerweise ist dieser Vorgang von so kurzer Dauer, dass sein Ergebnis, das fotografische Bild, dem Betrachter als ein Augenblick erscheint, ein natürlich wirkender Einblick in einen Ausschnitt vergangener Zeit. Dabei gilt es von technischer Seite vieles zu beachten: Die Belichtungsdauer muss passen, die Kontraste stimmig und der Fokus richtig gesetzt sein.

Wenn die Belichtungsdauer so lange anhält, dass sich vor der Linse etwas bewegen kann, entsteht kein Film sondern eine Spur. Das können die Rücklichter vorbeirasender Autos sein oder ein stark beschleunigter Fußball. Aber wenn man nur lange genug belichtet, hinterlässt selbst eine Schnecke solche Lichtspuren. Kann man diesen Spuren nun nachsagen, sie hätten irgendeinen Sinn? Anders als die Filmbilder scheinen sie nicht zu sagen "erst dies und dann das" sondern immer nur "jetzt, jetzt und jetzt" und bis der Verschluss die Sache beendet, dauert es an, dieses Jetzt.

Mir scheint, dass dieses Bild dem Leben deutlich mehr entspricht, als ein Film. Da ist das Licht, das mir zur Verfügung steht und mit dem ich versuche, etwas Sinnvolles zu Papier zu bringen. Da ist die Unmöglichkeit, mich zu verstecken oder irgendetwas jemals zu löschen. Da ist schließlich die Aufgabe, den Fokus so zu setzen, dass ich die Chance habe, überhaupt etwas zu erkennen. Und dann ist da schließlich noch der Auslöser, den aber nicht ich betätige sondern wer auch immer... An diejenigen zu denken, die das Foto einmal betrachten, ist wiederum eine andere Sache.

-----------------------------------------------------------

It is strange when you think that a whole life is more or less like a long exposed photograph. Maybe you are used to picture it as a movie, a personal record that could be played somehow in the end. And yet most of us know that a movie consists of a huge amount of still single frames. But is a human being even capable of imagining a single, infinitely short moment? So short that it would underrun the shortest time of exposure? That's hardly possible.

Such an imagination makes no sense to us because it delivers no space. Neither for an emotion nor for a single word and especially not for a complete story. But if the story of life is no movie, what is it? If it is similar to a photopgraph, what does that mean?

The photograph is observing as long as it is exposed to light. During this process a completely dark surface becomes bright or vice versa if you think of the negative. Everything that is bright becomes dark and everything that is dark becomes bright. This normally happens in such a short time that the photographic image as a result appears to the spectator to be one moment, like a natural cutaway of past time. But technically there is much more to observe: duration of exposure, constrasts and focus have to be attended to.

If the time of exposure is long enough for anything to move in front of the lens the outcome is no moving picture but a trace. It may be the back lights of cars rushing by or a very speeded up football. But if you expose long enough even a snail would produce such traces. Could you speak of them like if they had any meaning? Other than frames in a movie they do not seem to say "this comes first and this comes afterwards" but only "now, now and now" until the shutter is interrupting this sort of state of now.

It seems to me that this image is very much more like our life than a movie. There is light available for me and I try to create something meaningful with it. There is the impossibility to hide or to erase anything at any time. Finally there is the task to focus so that I have a chance of recognizing something. And there is the release button which is not pushed by me but by whomsoever... To think of those who will look at this photo one day, that is a completely different thing.