Dienstag, 27. Oktober 2015

Da du fort bist, ist es ein Leichtes, dich mitzuführen. Wie an einem silbernen, fast unsichtbaren Faden, der in die Schwerelosigkeit führt. Jetzt, da du weg bist, bist du überall. Du besiedelst mein Denken und ich belebe dich noch, als sei nichts weiter geschehen. Solange ich spreche, klingst du nach und glühst aus. Jetzt, da es keinen Weg zu dir gibt, begleitest du jeden einzelnen Schritt.

Auch dein Bewohnen war Widerspruch, ein Teil von Teilen, Brücke, Klammer, Stimme im Chor. Die Welt errichtete sich und begann zu singen. Sie sang dich an. Da war der Widerschein von Steinen, Grün, Wechsel der Wolken und langes, ausgemaltes Warten. Ein Gespräch von flüchtigen, leuchtenden Worten – ein Tag, der sich ins Fleisch des Jahresringes legt.
Da war auch der Abstand, Haut und das gläserne Schwarz deiner Augen. Du als Spiegel. Dein Blick in die Ferne. Und ich stellte Fragen.

Und jetzt, mein Brunnen, rauschst du nicht mehr. Hast deine Kühle ausgehaucht und deinen Trank gespendet. Alles ist vergeben. Du bist vergossen und nährst unseren Gesang. Wo du nicht mein Gast warst, sind die Kelche trocken geblieben. Deine Quelle ist leer. Du hast das Fließen bewiesen.
Ich hebe dich auf und trage dich fort. Damit wir uns lösen, irgendwann.


(2012)

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