Freitag, 6. November 2015

Möblierter Saal

In dem sehr dunklen Licht - von jener besonders finsteren Spielart, wie sie an einem glutheißen Nachmittag im August durch die herabgelassenen Jalousien in ein Sterbezimmer sickert - an den Wänden, getüncht mit einer Farbe, die so durchscheinend schlüpfrig anzuschauen und so hart anzufassen ist wie das Glas, das die Tropfsteinhöhlen überzieht, ein leichter geräuschloser Wasserschleier wie auf dem Schiefer der Bedürfnisanstalten, sanft schillernd, erschauernd wie Seide. Die Rinnen, die in der linken Raumecke im Zwielicht zusammenfließen, speisen, bevor sie verschwinden, ein winziges Kressenbecken. An der rechten Seite, in einem großen Faraday'schen Käfig für Experimente mit Blitzschlägen, lässig, wie eben vom Morgenspaziergang zurück, über die Armlehne einer Sella curulis geworfen, Cäsars blutbefleckte Toga, kenntlich an ihrer Museumsbeschriftung und an dem Anblick sui generis der unverwechselbar echten Einstiche. Eine rustikale Schweizer Uhr mit doppeltem Klang, Wachtel und Kuckuck, die die halben und Viertelstunden in die Aquariumsstille schlägt. Auf dem Kamin leidige Objekte einer sonderbaren, höchst absichtsvollen Zurschaustellung inmitten einer Überfülle viel prunkvollerer Nippsachen, ein angebrochenes Päckchen Krüllschnitt und die Photographie des Präsidenten Sadi-Carnot als Erstkommunikant (starke Pappe, geknickte Ecken, Rand erhaben und vergoldet, gediegene Arbeit für katholische Familien, mit Namenszug des Photographen). Im Hintergrund des Saales, halb im Schatten, läßt ein Güterwagen mit Bremserhäuschen auf einem Abstellgleis, das übergrünt ist von Butterblumen und Doldengewächsen, durch seine halboffene Tür ein Service aus gleißendem Sèvres-Porzellan sowie ein schönes Arrangement kleiner Likörgläser schimmern.


Julien Gracq, aus Liberté grande (1947)


(2015)

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