Mittwoch, 21. Oktober 2015

Es geht mir nie um Darstellung, wenn mit Darstellung das Erzeugen einer Art von Projektion gemeint ist, die auf die platonische Idee zurückgeht: eine Projektion also, die als eine unwandelbare, überzeitliche Idee vorgestellt wird. Diese Art von Idee, wenn ich sie lokalisieren müsste, befindet sich dem Schein nach außerhalb, in einer Sphäre jenseits des Bewusstseins und ist diesem vorausgehend und transzendent.
Ich suche jedoch das Abbild. Das Abbild verhält sich zur von mir vorgestellten Idee nicht wie das Wahre zum Falschen oder das Tatsächliche zum Vermeintlichen. Ich möchte solche Unterscheidungen hier nicht machen. Das Abbild bewegt sich stets von mir fort, weil es in der Zeit ist, wie ich. Es bleibt stehen, ich schreite fort. Aber gleichzeitig erreicht es mich durch seine Eigenschaft, eine Geste der Gegenwart ausführen zu können, also im fotografischen Abbild referentiell, quasi-identisch anwesend zu sein, wenn auch nicht verfügbar. Das heißt auch Zeuge zu sein – sowohl in Bezug auf das Abgebildete als auch auf mich, den Betrachter, der das Abbild erkennt und benennt. Dies schafft es durch den Eingang des (meines) Bildes, meiner Wirklichkeit ins für mich wirkliche Abbild. Es gleicht einer Alchemie des Daseins und wird in der Tat den Charakter eines Zaubers nicht los.


(2015)

Doch ist diese Wiedergabe der Eigenschaften des Abbildes noch zu simpel, beziehungsweise fehlt noch eine wichtige, oder sogar die allerwesentlichste Facette. Denn es taugt nicht jedes Abbild als Träger dieser „Magie“. Gerade die Bilder, die bewusst deshalb entstanden sind, um sich an etwas zu erinnern, entbehren oft dieser Qualität. Sie wirken kalt und leblos. Wenn ich ein lebendiges Bild herstellen möchte, kann ich zwei Dinge versuchen:
Ich kann mich erstens mit meiner Kamera möglichst nach den Bedingungen des Auges richten, das heißt, nicht den Gegenstand, sondern den Blick darauf einfangen und wieder ermöglichen. Ich kann aber auch zweitens versuchen, das Abbilden abzubilden. Das bedeutet, dass ich den Gegenstand nicht ausgebe als ihn selbst (das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt), sondern wie im zuvor genannten Schritt thematisiere ich den Blick, nun aber noch mit dem bewussten Zusatz, dass es ein vermittelter Blick ist.
Schließlich soll deutlich werden, was ich unter dem Abbild, beziehungsweise der Tätigkeit des Abbildens verstehe. Es ist der zunehmende Rückzug aus einer Welt der Erscheinungen in einen Prozess des Erscheinens, von Erkenntnissen auf Erkenntnis, nämlich dessen, was für mich immer das Objekt sein wird: diese Folie, dieser Schirm, auf dem sich mir das darbietet, was „ist“. Es ist tatsächlich die Höhlenwand, um die es geht, nicht etwa das, was hinter meinem Rücken vorgeht. Hinter meinem Rücken erscheint nichts bevor ich mich umdrehe – nur, um wieder auf die Wand zu blicken.

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