Samstag, 10. Mai 2014

Den Bildern gelingt es, mir das Herz zu beruhigen, weil sie den Worten auf gewisse Art verwandt sind. Sie sind von eindeutiger Gestalt und doch voller unauslotbarer Tiefe. Aus ihrem Hintergrund strahlt alles auf einmal in ihre Oberfläche aus, so wie sich auch die Welt dem am Fenster Stehenden als Ganze und Gleichzeitige zeigt. Sie versteckt nichts und doch ist in ihrer Offen-sichtlichkeit, diesem unermüdlichen visuellen Strömen, so viel Verborgenes, das dem schlicht überforderten Blick entgeht, für ihn un-sichtbar wird.

Nun kennt die lebendige Natur selbstverständlich keinen Stillstand, das unbewegliche Bild scheint dagegen durchaus in all seinen Nuancen erschöpflich, denn es ist nicht dazu in der Lage, einen Augenblick der Unachtsamkeit zu nutzen, um sich vom Betrachter unbemerkt zu verändern - vielmehr könnte es scheinbar nach und nach vollkommen von seiner Aufmerksamkeit durchdrungen, von seinem Bewusstsein verdaut und womöglich sogar verstanden werden.


(2011)

Auf diese Weise funktionieren aber weder Bilder noch Worte. Beide haben nämlich die Eigenschaft, unwiderruflich aus dem Kontext ihrer Entstehung gelöst zu sein (die Fotografie ist gemacht, das Wort ist gelernt, aber wann und wo genau?) und stehen nun vor der Schwierigkeit, aus sich heraus und als solche existieren zu müssen. Die Wörter (die eigentlich Namen sind), haben ebenso wie die Bilder ihren Ursprung irgendwo da draußen, d.h. in jener unbeständigen, verfließenden Welt des Wandels. Die Umstände ihrer Geburt sind nicht mehr, aber sie sind noch.

Und während den Worten der Bereich des Allgemeinen, Abstrahierenden zugeordnet ist, das sie zu unserem gemeinsamen, geteilten Besitz macht, liegt der Bereich der Bilder im Besonderen, dem Einmaligen, So-und-nicht-anders-Gewesenen. Deshalb verschaffen mir die Worte Seelenruhe, weil ich sie verstehen und teilen, und die Bilder, weil ich sie sehen und glauben kann. Denn die Bilder alleine beweisen noch nichts als bloß die Anwesenheit jenes unbegreiflichen Daseins, das sich einen Moment hat abnehmen lassen. Meine Worte aber bahnen mir den Pfad, der mich zu dem Wissen gelangen lässt, in diesen Bildern tatsächlich gelebt zu haben. Und ich erkenne mich in ihnen wieder.

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The images are able to calm my heart because they are somehow related to words. They are of a certain shape (Gestalt) but at the same time of an unsoundable deepness. Everything beams at once from their background into their surfaces, like the world that is presented as a whole and at once to whomever standing at the window. Even though it hides nothing there is so much hidden in its apparent appearance, this unresting visual stream, that simply escapes the overstrained gaze and becomes invisible.

Of course living nature does not know any halt, in contrast to the resting image that seems to be explorable in all its nuances because the latter is unable to take advantage of a moment of inattention of the viewer to alter itself secretly - it rather seems to be gradually graspable by his attention in order to be digested and probably even understood by his consciousness.

But neither images nor words function this way. They both have the attribute to be irrevocably dissolved from the context of their emergence (the photograph has been taken, the word has been learned, but when and where exactly?) and they now face the challenge to exist on their own and as such. Just like the images the words (that are actually names) have their provenance somewhere out there, in this unsteady, deliquescing world of perpetual change. The circumstances of their birth are no more, but they still are.

And while words, our common and shared property, are related to the field of the general, of abstraction, the field of images is the special, the non-recurring which has been this way and no other. Words calm my soul because I can understand and share them, images do the same because I can see and believe them. An image alone proves nothing but only the presence of this incomprehensible existence, that has given away one moment. It is my words that channel my path to the knowledge that I have really lived in these images. And I recognize myself in them.

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