Sonntag, 6. Oktober 2013

Rückwärts leben, rückwärts lieben - ich komme von dort, deshalb kenne ich mich aus. Was ist die Vergangenheit nicht für ein sicherer und angenehmer Ort, wenn man sie nur ihrer Alltäglichkeit entkleidet. Die Banalität eines beliebig herausgegriffenen Tages, der in Erinnerung ist, sie wirkt doch noch heroisch vor dem unendlichen Hintergrund des Vergessenen. Ja, wenn es keine Mythen gäbe, keinen Glauben, was sollte dann noch ein Gegengewicht bilden zu den rohen, ungeheuren Brocken von Gedächtnis, die in mir ruhen. Alleine mit dem Vergangenen sein, das heißt alleine sein mit sich selbst.

Und so zeigt sich, dass aus der Liebe, die war, eine Art Güte geworden ist, eine Form von geronnenem Gefühl, das zum Zeichen von Liebe erklärt wird, eine milde Narbe, die Zeuge von gelebtem Leben ist. Rückwärts schauen, da dort leben unmöglich geworden ist. Wie kommt es, dass das nicht wehmütig macht? Vielleicht weil feststeht, dass dieses Gewesen-sein unhintergehbar bleibt. Kein Handel auf der Welt wird den Tausch dieses Gutes einfordern; es zu tauschen, hieße sich vertauschen und... verlieren. An wen sollte ich meine Vergangenheit verlieren?


(2011)

Und nun, von dort an geht der Weg weiter. Er nimmt mich mit sich fort, und wohin? Das ist die andere und womöglich sogar die noch hellere Seite meiner Gewissheit: Sie offenbart, dass das in der Vergangenheit Geschaute nur das Spiegelbild des Zukünftigen ist, nur ein Abglanz dessen, was ich allzeit in mir trage - meine allmähliche Auflösung in der Zeit. Mein Selbst. Es sind die Schritte einer angelegten und zur ängstlichen Freiheit bestimmten Existenz, die ich gehe. Aber ich gehe sie!

Was für eine Erlösung ist das Wissen um die Unveränderlichkeit meiner Vergangenheit! Kein Schatz, den ich dort erworben habe, kann mir genommen werden. Was für ein süßer Trost ist die Offenheit meiner Zukunft! Ich alleine bin es, der dorthin wachsen wird und dessen Aufgabe nichts Geringeres ist als die Verwirklichung meines Selbst. Und der gegenwärtige Augenblick, ist er nicht alles andere als ein Warten, wenn er gelebt wird?

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To live backwards, to love backwards - this is where I come from, therefore I am well versed in it. What a save and comfortable place is the past if you disrobe it of its prosaicness. The banality of a single day in memory, chosen arbitrarily, doesn't it seem to be heroic in front of the unlimited background of oblivion. Indeed, if there were no myths, no faith, what should be the counter weight to the raw, tremendous chunks of memory that rest inside me. To be alone with the past means being alone with yourself.

So it shows that the love which has been there has become a sort of benignity, a form of coagluated feeling that is a manifested sign of love, a gentle scar, a witness of lived life. To look backwards because living there has become impossible. How can it be that this does not cause any melancholy? Maybe because it is certain that you cannot go beyond this having-been. No deal in this world will ever request this property; exchanging it would mean exchanging - and loosing - your self. To whom could I lose my past?

Now from there the journey continues. It takes me away but where? That is the other and perhaps even brighter side of my certainty: It reveals that what I see in the past is only a mirror image of the future, a mere reflection of what I hold inside me for all time - my gradual disintegration in time. My self. These are the steps of an arranged existance that I take, predestined to be anxious. But I take them!

What a salvation is the knowledge of the unchangeable past! No treasure I have achieved there can be taken away from me. What a sweet solace is the openness of my future! Me alone, I will be the one growing there and my only task is nothing but the implementation of my own self. And the present moment, isn't it anything else but waiting if it is lived?

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