Die stehende Heimat, deren Bedingungen
wir kennen, weil sie uns bereits symbolisch geworden sind, ist etwas
anderes als der befristete Wechsel von Haus zu Haus. Eine Episode,
deren Ausgang mir noch unklar ist und deren gerade begonnenes
Andauern noch zu kurz ist, um eine durch mich wiederholbare Syntax
entstehen zu lassen, vergegenwärtigt mir vor dem Hintergrund des
Hauses – des Zu-hauses – in das als ein Ort von immer vergangenen
Tagen keine Rückkehr möglich ist, die Relativität der Existenz
eines Zuhauses durch doppelte Abwesenheit, nämlich meiner von diesem
im Raum und der des Beheimatenden in Raum und Zeit.
Das vorbewusste Haus, also der Ort von
frühester Kindheit, der zuerst und daher wahrscheinlich am
intensivsten erlernt und erlebt wird, indem er gelebt
wird, und der problemlos das Elternhaus, das Haus der Großeltern,
des besten Freundes, die Ferienwohnung und das erste Klassenzimmer in
sich aufnimmt, legt die Koordinaten des Systems fest, auf dem später
die Abschnitte selbstbestimmten, kontingenten Lebens eingezeichnet
werden: das Wohnen in Partnerschaft, die Orte des Lernens und
Arbeitens, die Reisen.
Der
Wechsel der Jahreszeiten, der Anfang und Ende immer schon in sich
trägt, ein zyklischer Ablauf von Festen und Ritualen, all das hat
seine übermächtige, taktgebende Funktion lange verloren, jedoch
sind es noch die Emotionen, die zum Beispiel der Schnee, das
Schauspiel der Wolken oder ein bestimmter Einfall von Sonnenlicht an
langen Sommerabenden erzeugen können, die die Einbettung in den
heimischen Kosmos wie automatisch auslöst. Die neuen Räume, die
noch zu wenig bewohnten Zimmer fragen herausfordernd nach Einordnung
in meine zu vervollständigende Erzählung, nicht einmal direkt nach
sprachlicher Repräsentation, sondern nach Aneignung, Wiedererkennung
und Beachtung. Wie mit behutsamen Stichen nähen die Wohnungen und
die Dinge darin und um sie herum einen Saum an das alte Kleid von Behausung und fügen
schließlich, Stoffbahn um Stoffbahn, neues Gewebe hinzu.
(2015) |
Und
die Trennung? Was ist mit der Unbestimmtheit vorübergehend bewohnter
Orte, ihrer Nichtverwurzelung in der gedachten Abgeschlossenheit
meiner vier Wände? Was ist am Fremden wirklich fremd, das es über
die Schwelle meines Zimmers schafft und bleibt? Und was, wenn man
tatsächlich eine Heimat auch im Anderen gefunden hat, deren
Genealogie, statt sich aus dem Unvordenklichen zu entfalten, sich nur
auf einen bestimmten Ausschnitt von Geschichte beschränkt, die dort
vor dem Dunkel des Fremden schwebt, an dem man sonst keinen direkten,
lebendigen Anteil hatte. Was für ein Gefühl von Glück und
Melancholie zugleich! Fast wie ein Modell von Leben mitsamt seinem simulierten Tod im verkleinerten Maßstab.
Dann
ist es das Wohnen in einzelnen, miteinander sprechenden Stücken von
Zu-Hause-sein, die, ohne es zu wissen, einen Satz absoluter Fülle
formulieren, den die vom Ausschluss definierte Grammatik einer
einzigen, einmaligen Heimat nicht kennt und der ihr nichts sagt. Nur
wenn sie sich in ihrer stetigen, immanenten Abwesenheit, ihrer notwendigen Neu- und Andersgestaltung und nicht als
Ganze, an einem jenseitigen Ort liegende begreift, wird diese Geborgenheit sich in
ihren Bruchstücken wiedererkennen und zu einer Erzählung finden können, die das
zwingende syntaktische Joch abgeworfen hat.
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