Ich weiß nicht, wo ich den Raum suchen soll, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn verlassen habe. Ich habe ihn abgestreift wie eine zweite Haut, deren Zeit abgelaufen war. Wem gehört nun dieser Raum, den ich durchquert und hergegeben habe? Wessen Merkmal ist, dass er ihn
kennt? Ich selbst kenne allein die Erinnerung, deren Qualität es ist, den Zugang zum Zurückgelassenen manchmal weit, manchmal nur ein wenig zu öffnen und die durch solche Materialien wie die Fotografie, aber auch durch den Klang, den Duft und die Jahreszeiten gestützt werden kann.
In diese Erinnerung kann ich hineingehen bis zu jenem Punkt, an dem eine hauchdünne Folie von Abwesenheit mich nicht weiter durchdringen lässt. Aber dort beschleicht mich stets das Gefühl, dass mein Blick doch erwidert, dass
zurückgeschaut wird. Wessen Blick ist dies? Ich spüre, dass er aus den vermeintlich leeren Stellen kommt, denen man im Jetzt weniger Aufmerksamkeit schenkt. Es sind die Bereiche, die vordergründig von Abwesenheit geprägt sind, die das Dasein fast nur wie einen Schatten von Existenz auf sich tragen. Erst die Erinnerung (und ebenso die Fotografie!) legt über
alles den Schleier der Abwesenheit und enthüllt damit zugleich eine Art Ununterscheidbarkeit von Tod und Leben.
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(2012) |
Für die Abwesenden bin ich der Tote, der Noch-Nicht-Gekommene oder eben der Gegangene. Mein Tod ist die Nichtteilnahme am Vergangenen und Zukünftigen, aus diesem Grund enthält bereits meine jetzige, lebendige Existenz Anteile des Todes, während im Tod Elemente des Lebens enthalten sind, nämlich die Erinnerung und möglicherweise auch die Vorsehung. Angesichts dieser Gedanken komme ich nicht umhin, mich zu fragen, in wessen Händen all dies stattfindet, auf wessen Rahmen dieser ganze Teppich gewebt ist...
Was wirst Du tun, Gott, wenn ich sterbe?
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,
mit mir verlierst du deinen Sinn.
Rainer Maria Rilke: Das Stunden-Buch
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I
do not know where to search for the space of which I did not even know
that I left it. I peeled it off like a second skin whose time had
elapsed. To whom belongs this space that I have crossed and that I gave
away? Whose attribute is that he knows
it? I myself know only my
memory that has the quality to open the access to the left-behind,
sometimes wide, sometimes very narrow, and that can be supported by
materials like photography but also by sound, fragrance and seasons.
I
can go into these memories till the point where a gauzy film of absence
keeps me from going any further. But there I always have the feeling
that my gaze is replied, that someone is looking back
. Whose gaze
is this? I sense that it emerges from the seemingly empty places that
do not attract so much attention in the time of now. These are the spots
that are ostensibly distinguished by absence and that bear just a
shadow of presence. Only memory (and photography!) casts the veil of
absence over everything
and at the same time uncovers a form of indistinguishablity of death and life.
For
the absent I am the dead person, the one who not yet came or who has
left. My death is the non-participation in past and future and for this
reason my actual living existence contains portions of death whereas
death contains elements of life, namely memory and possibly also
providence. In the face of these thougths I am bound to ask myself in
whose hands all this happens, on whose frame this whole carpet is
woven...